Text und Bilder: Orith Tempelman
Bourg-en-Bresse liegt am Westrand des französischen Jura, cirka 120 Kilometer westlich der Stadt Genf. Die Gemeinde mit etwas über 40’000 Einwohnern liegt in der Region Auvergne-Rhône-Alpes und ist Hauptstadt des Departements Ain. Während des Zweiten Weltkrieges gehörte Bourg-en-Bresse nach der Kapitulation der Streitkräfte Frank reichs zunächst zur Zone libre, die unter Verwaltung des Vichy-Regimes stand. Im November 1942 wurde die Stadt von deutschen Truppen für fast zwei Jahre besetzt; am 4. September 1944 wurde Bourg-en-Bresse von der amerikanischen Armee befreit.
Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt das Hôtel-Dieu mit seiner Apothicairerie, einer historischen Apotheke.
Der Bau des Hôtel-Dieu von Bourg-en-Bresse begann 1782 nach den Plänen von Pierre-Adrien Pâris, einem berühmten Architekten des 18. Jahrhunderts, der für Ludwig XVI. gearbeitet hatte. Es war jedoch der Bresse-Architekt Gaspard Chauverêche, der die Arbeiten bis zu ihrer Fertigstellung 1790 beaufsichtigte.
Das Hôtel-Dieu ist ein Schmuckstück der Stadt: dieses ehemalige Krankenhaus umfasst zwei grosse Krankensäle mit geschlossenen Betten, eine Kapelle und eine prächtige Krankenhausapotheke mit einer in Europa einzigartigen Sammlung italienischer, spanischer und maurischer Fayencen aus dem 15. und 16. Jh.
Das Hôtel-Dieu ist immer noch in Betrieb: Es gehört dem Krankenhauszentrum Bourg-en-Bresse und ist heute ein Ruhe- und Altersheim.
Im Südflügel erlaubt ein ungewöhnlicher Ort dem Besucher in die besondere Welt der Krankenhäuser von einst einzutauchen: die Apothicairerie (historische Apotheke).Die Apotheke besteht aus drei bemerkenswert gut erhaltenen Räumen, einem seltenen, intakt gebliebenen Labor, dem Hinterzimmer und der Apotheke mit prächtigen Holzarbeiten im Stil Ludwigs XV. und einer beeindruckenden Sammlung von Steingut und Fläschchen. Augustinerinnen übten dort bis 1824 ihr Amt aus. Sie wurden durch die Schwestern von St. Joseph ersetzt, die dort bis zur Schliessung vor 57 Jahren arbeiteten. Die intakt gebliebene Einrichtung verleiht der Apothicairerie eine fast gemütliche Atmosphäre.
Das Labor
Die Apothicairerie ist eine der ganz wenigen historischen Apotheken, die den Besuchern ein noch einwandfrei funk-tio-nierendes Labor zeigt. Dessen Ausstattung ist bemerkenswert und erlaubt es, in die Chemie vergangener Jahrhunderte einzutauchen: Kupferdestillierapparate, Mörser, Gusseisenöfen des 19. Jahrhunderts.
Tatsächlich wurden nach der Schliessung der alten Krankenhausapotheken viele Labors ausgeräumt. Hier ist alles intakt und scheint auf die nächste Ausarbeitung von Heilmitteln zu warten: Destillierapparate und Kessel aus Kupfer, Mörser, Zinngeschirr, Schneckenpresse. Einige dieser Gegenstände stam-men sogar noch aus der Zeit vor dem Bau des Hôtel-Dieu, aus einem früheren Krankenhaus, das Mitte des 17. Jahrhunderts im Stadtzentrum errichtet wurde.
Das Herzstück des Labors bleibt der Ofen. Sein Schwanenhals fällt ins Auge, sobald man den Raum betritt. Hergestellt aus Messing, sorgfältig verarbeitet, verleiht es dem Labor einen gewissen Charme. Es zeigt uns auch, dass der Apotheker über fliessendes Wasser verfügte: ein Luxus für die damalige Zeit!
Wunderschöne regionale Einrichtungen
Die Uhr ist ein schönes Beispiel für Bresse-Möbel mit ihrem Eschenholzgrat, und das Gemälde «Die Verkündigung» ist ein Werk des berühmten burgerischen Malers Benoit Alhoste (17. Jahrhundert). Das Apotheke mit weiteren Bildern und Skulpturen bietet somit eine interessante Ergänzung zum Besuch des Kunstmuseums des Königlichen Klosters von Brou, das nur wenige Schritte entfernt liegt.
Offizin
Als eine Offizin (von lat. officina «Werkstätte, Arbeitsraum», auch «Herd, Wirtschaftsgebäude») bezeichnete man seit dem späten Mittelalter eine Werkstatt, die hochwertige Waren produzierte, mit angeschlossenem Verkaufsraum. Der Begriff wird für Apotheken bis heute verwendet.
Ein Besuch in diesem zentralen Raum der Apotheke ermöglicht es den Besuchern, sich über die Anwendung wissenschaftlicher und medizinischer Erkenntnisse zu informieren: Wie wurden Medikamente hergestellt? Wie wurden tierische, mineralische und pflanzliche Substanzen verwendet, um sich selbst zu behandeln? Diese Offizin diente der Identifizierung, Auswahl und Lagerung von Rohstoffen.
Hier können wir eine unglaubliche Sammlung von Steingut, Schachteln und Gläser bewundern, von denen die meisten noch ihren ursprünglichen Inhalt mit manchmal beschwörenden und manchmal beängstigenden Namen haben: Cinchona, Zimt, Borax, Blut der Drachenziege, Quecksilber, Hirschhorn, Otterfleisch, Absinth, Quecksilber, Sarsaparille…
Die fast tausend Behälter sind elegant verziert: die Bezeichnung der darin aufbewahrten Substanzen wurden auf Altfranzösisch kalligraphiert: das «f» und das «s» sind verwechselt! Gleiche Verwechslungen gibt es auch auf Deutsch, wo z.B. meist fälschlicherweise «Brunft» anstelle von «Brunst» geschrieben wird.
Einzigartige Bücher
Im Hinterzimmer befindet sich auch eine Louis-Philippe Kommode mit einer Vitrine, in der interessante Originalwerke aus dem 17. bis 20. Jahrhundert ausgestellt sind, darunter die beeindruckende «Histoire Naturelle» von Georges-Louis Leclerc de Buffon. Letzteres ist eines der «gelehrten» Bücher, die das Wissen der Zeit bezeugen und das sich mit pragmatischeren Werken einreiht, die den Schwestern alle notwendigen Hinweise geben sollten, um Medikamente herzustellen und ihre Wirkung auf den menschlichen Körper zu verstehen.
Ausserdem sind mehrere Waagen ausgestellt, darunter zwei Präzisionswaagen mit denen die Substanzen mit grosser Genauigkeit gewogen werden konn-ten, und eine zeitgenössischere Vitrine präsentiert eine Sammlung medizinischer Instrumente.
Weitere Sehenswürdigkeiten in Bourg-en-Bresse
Das ehemalige Kloster Brou (Monastère royal de Brou) des Augustinerordens ist ein grosses Bauwerk aus der Wende von Spätmittelalter zu früher Neuzeit, erbaut 1506 bis 1532 anstelle einer Benediktinerzelle.
Die Altstadt mit dem Fachwerkhaus (Riegelhaus) «Demeure Hugon»
Die Kirche Notre-Dame de Bourg-en-Bresse, mit deren Bau 1505 begonnen wurde, wurde im 17. Jahrhundert fertig gestellt. Sie zeichnet sich durch den Flamboyantstil ihrer Apsis und des Hauptschiffs aus. In der Fassade befindet sich ein dreiteiliges Tor im Renaissancestil. Das Innere birgt schöne geschnitzte Chorstühle und die in der Kapelle der Verkündigung stehende Schwarze Jungfrau aus dem 13. Jahrhundert, nach der die Kirche benannt wurde.